Liebe Mitglieder,
Freundinnen und Freunde des Wirtschaftsnetztwerks Saar!
Eine Turnhalle in einer saarländischen Kleinstadt: Es riecht nach schwitziger Luft und altem Eisen. Ich stehe als sportbegeisterte Jugendliche erwartungsvoll im kleinen Fußball-Tor. Sechs Jungs kämpfen laut schreiend auf dem Feld, versuchen, das Runde ins Eckige zu befördern. Es geht um mehr als den Sieg – es geht um die Ehre beim Aufwärmen zum gemeinsamen Leichtathletiktraining. Seit damals begeistert mich diese Sportart rund um den Lederball und die 22 Spieler auf dem grünen Rasen. Von Frauenfußball sprechen zu diesem Zeitpunkt noch wenige.
Viele Jahre später, ich erinnere ich mich mit Freude daran, wie ich beim 1. FC Köln ein großes Fußballstadion betreten durfte: Gänsehaut pur, die meisten Fans in den Vereinsfarben rot-weiß gekleidet und schon vor dem Spiel in bester Laune. Die Verehrung des damaligen österreichischen Stürmer-Stars Toni Polster wird von den Zuschauern mit lauten Gesängen untermauert – egal, was die Anzeigetafel im Stadion gerade vermeldet. In keiner Sportart sonst habe ich mehr Emotionen und Begeisterung erlebt als in einem Fußballstadion. Wie in einem Sog tauche ich ein in diese gemeinschaftliche Atmosphäre. Themen, die noch vor dem Anpfiff in den Köpfen präsent waren, scheinen für ein paar Augenblicke in den Hintergrund zu geraten. Nichts lenkt mehr ab, was sonst im Leben beschwert. Mit zigtausend Fremden und doch freundschaftlich vereint, rufen und feiern wir alle für ein Ziel – den Sieg der angefeuerten Mannschaft.
Heute begleite ich als selbstständige Personalentwicklerin, Beraterin, Trainerin und Coach Menschen im betrieblichen Kontext. Aber die Liebe zum Fußball ist geblieben. Kurz vor der Fußball-EM in Deutschland frage ich mich:
- Wie kann so ein emotionales sportliches Großereignis wie die Fußball-EM in Deutschland für uns alle ein Anstoß sein, unseren Blick weg von Krisen, schlechten Nachrichten und Konflikten wieder auf Positives zu lenken?
und
- Inwiefern kannst du als Unternehmerin, Unternehmer und Führungskraft generell Impulse aus dem Fußball in deine betriebliche Praxis übertragen? Wie kannst du als Teammitglied von den Erkenntnissen profitieren?
Hierzu habe ich (Kürzel IW) in den letzten beiden Wochen drei Experten der saarländischen Fußball-Welt getroffen und interviewt: Pascal Bach (Kürzel PB, ehemaliger Fußballspieler, Fußball-Trainer, ehemaliger Co-Trainer beim FC Homburg und der SV Elversberg, Mitglied in der Expertenkommission im Trainerlehrgang, Autor, Sportlehrer), Philipp Häfner (Kürzel PH, ehemaliger Fußballspieler, Sportwissenschaftler und -Ökonom mit Abschlussarbeiten in Teamentwicklung und Mannschaftsführung im Profisport, zukünftiger Fußball-Trainer beim FV Eppelborn) und Mark Weishaupt (Kürzel MW, Leiter der Sportredaktion der Saarbrücker Zeitung, Sportjournalist). Wir haben diese und andere Fragen intensiv diskutiert. Das ausführliche Interview mit weiteren spannenden Statements findest du weiter unten. Ein kleiner Vorgeschmack gibt es gleich hier:
IW: Was können wir vom Großereignis wie einer Fußball-EM im eigenen Land erwarten?
MW: „Vielleicht sollten wir die Erwartungen an dieses Ereignis in Deutschland nicht ganz so hoch hängen und überhöhen. Fußball kann viel, aber nicht alles. Trotzdem vereint Fußball Menschen gleich welcher Herkunft. Die Euphorie kann sich auf alle im Land und in der Welt übertragen.“
Was sollte ein Trainer mitbringen, um sein Team erfolgreich zu führen?
PH: „Ein Trainer sollte Authentizität und Souveränität mitbringen, bei gleichzeitiger außergewöhnlicher Fachkompetenz. Das heißt aber nicht, dass ein Trainer alles weiß oder meint, alles wissen zu müssen. Bestenfalls kann er auf kompetente UnterstützerInnen in seinem Umfeld zurückgreifen.“
PB: „Mit Druck in der Führung überstehst du heute vielleicht zwei Monate. Danach entscheiden die persönlichen Beziehungen als Trainer, die du zu den Spielern geknüpft hast.“
PH: „Richtig. Ich kann als Trainer niemandem etwas beibringen, wenn ich nicht auch eine persönliche Beziehung zu ihm aufgebaut habe und ihn als Menschen ernst nehme. Optimal ist es, wenn ein Trainer erkennt, wen er vor sich hat und was seine Spieler brauchen. Sich mit den persönlichen Geschichten seiner Leute auseinanderzusetzen, halte ich für sehr wertvoll. Manchmal muss der Trainer auch Spieler auffangen können, weil es gerade nicht so gut läuft. Andere wiederum brauchen klare Ansagen und eine engere Führung.“
IW: Wann folgen Spieler einem Trainer?
PH: „Spieler folgen einer Trainer-Persönlichkeit. Diese überzeugt mit Glaubwürdigkeit, Vertrauenswürdigkeit, Spieler- und Mitarbeiterförderung, Zuverlässigkeit, Entscheidungs-, Kommunikations-, Coaching- und Beratungs-Fähigkeit.“
MW: „Ein erfolgreicher Trainer sollte Empathie mitbringen und sein Team genau kennen. Entscheidend dabei ist, dass alle Mitglieder wissen, was sie zu tun haben. Sie kennen dann ihre Rolle und Aufgaben genau und sind damit zufrieden, wie z.B. bei den deutschen Basketball-Weltmeistern 2023. Oft tun dann die Spieler mehr, als sie eigentlich müssten. Bringst du als Trainer bestimmte Kompetenzen nicht mit, musst du bereit sein, Kritik anzunehmen und immer wieder dazuzulernen.“
PH: „Stimmt genau. Xabi Alonso, aktueller Meistertrainer von Bayer Leverkusen, macht es uns vor. Auf die Frage, ob er den Verein nach der Erfolgsserie nun verlassen wird, antwortet der Spanier, dass er bleibe, da er noch ein junger Trainer sei, der noch nichts weiß.“
Falls ihr Lust habt auf weitere Einblicke aus der Welt des Fußballs: Das restliche Interview findest du im Anschluss weiter unten und im aktuellen Win-Magazin Saarland auf Seite 18.
Ich wünsche euch und uns allen kein Sommermärchen, sondern reale, verbindende Sport-Events in Deutschland bei der EM, in Paris bei den Olympischen Spielen und der Welt. Und dass diese uns alle wieder zuversichtlicher und friedlicher stimmen. Dann laufen sicherlich auch die Geschäfte besser.
In diesem Sinne: Geht`s raus und schaut gemeinsam Fußball!
Herzlichst,
Isabelle Weyand
PS: Ein herzliches Dankeschön an die Experten Pascal Bach, Philipp Häfner und Mark Weishaupt.
Und hier das ganze Interview:
Die Fußball-EM 2024 in Deutschland: Drei Experten im Interview: Was können wir aus der Welt dem Fußball in die betriebliche Welt übertragen?
In den letzten beiden Wochen habe ich drei Experten der saarländischen Fußball-Welt getroffen und interviewt: Pascal Bach (Kürzel PB, ehemaliger Fußballspieler, Fußball-Trainer, ehemaliger Co-Trainer des FC Homburg und der SV Elversberg, Mitglied in der Expertenkommission im Trainerlehrgang, Autor, Sportlehrer), Philipp Häfner (Kürzel PH, ehemaliger Fußballspieler, Sportwissenschaftler- und Ökonom mit Abschlussarbeiten in Teamentwicklung und Mannschaftsführung im Profisport, zukünftiger Fußball-Trainer des FV Eppelborn) und Mark Weishaupt (Kürzel MW, Leiter der Sportredaktion Saarbrücker Zeitung, Sportjournalist).
IW: Was muss ein Trainer mitbringen, um ein Team erfolgreich führen zu können?
PH: „Ein Trainer braucht Gespür für die Strömungen im Team. Ein fauler Apfel – und der ganze Korb wird schlecht. Der erfolgreiche Trainer findet eine gelungene Balance zwischen „fünf gerade sein lassen“ und den Spielern „die Grenzen aufzeigen“.
PB: „Für mich ist die Glaubwürdigkeit eines Trainers von zentraler Bedeutung. Steht er zu dem, was er sagt und zu seinen Spielern, egal was passiert, folgen sie ihm. Ein Muss ist auch eine starke Trainerpersönlichkeit. Ich meine damit, dass er weiß, wer er ist und reflektieren kann. Das kommt auch einer klaren Trainerkommunikation zugute. Außerdem erfordert ein dynamisches Umfeld wie der Fußball eine hohe Flexibilität des Trainers – taktisch wie persönlich. Will sich der Erfolg nicht einstellen, braucht es andere Ideen oder einen Kurswechsel. Die Spieler erwarten dann, dass du das transparent machst und es erklärst.“
MW: „Manchmal ist es notwendig, Tabula rasa in der Teamzusammensetzung zu machen, so wie es Bundestrainer Julian Nagelsmann bei der Auswahl des deutschen EM-Aufgebots gemacht hat. Er gibt neuen Spielern eine Chance, die sich durch sehr gute Leistungen hervorgetan haben, und behält nur einige wenige Leistungsträger der alten Mannschaft bei. Eine neue Teamkonstellation verändert auch den Spirit. Außerdem steigert es die Motivation der Spieler, wenn es nicht selbstverständlich ist, dass sie nominiert werden. Ich sehe außerdem Ehrgeiz und Durchhaltevermögen als erfolgreiche Trainereigenschaften. Zusätzlich kommt ein authentischer, nahbarer Trainer deutlich besser an – einer, der auch einmal schwache Momente zeigen kann.“
PB: „Final dreht es sich im erfolgreichen Miteinander auch darum, dass die Verantwortungen geklärt sind. Ich als Trainer helfe den Spielern, aber auf dem Platz muss jeder selbst und das Team in der Gesamtheit in die Verantwortung gehen. Klappt das nicht, braucht es persönliche Gespräche, die in die Tiefe gehen. Unterm Strich muss ich als Trainer aber die Botschaft vermitteln, dass ich meinem Team vertraue.“
IW: Was sollte ein guter Trainer heute folglich NICHT machen?
PH: Einem erfolgreichen Trainer ist bewusst, dass er nicht alles weiß und nicht alles allein machen kann. Die Zeiten des einsamen Wolfes sind vorbei. Ein Trainer muss sich kompetente Unterstützung suchen und delegieren können. Umgekehrt muss der Mannschaft bewusst sein, wer der Chef ist. Aber er darf es eben nicht ständig raushängen lassen. Zufriedenheit ist immer leise. Ein Trainer, der das immer zeigen muss, dem kauft man es nicht ab.
PB: „Ein Trainer ist aus meiner Sicht auf dem Holzweg, wenn er alle Spieler zu Stars und Führungsspielern machen will. Das funktioniert nicht und ist auch nicht realistisch. Die Leistung muss natürlich stimmen, aber ein erfolgreiches Team setzt sich aus heterogenen Spielerpersönlichkeiten zusammen.“
IW: Was macht ein erfolgreiches Team aus? Wie verhalten sich Teammitglieder dann?
PH: „Die Spieler dürfen innerhalb ihres Teams Menschen bleiben, mit all ihren Befürchtungen, Eigenarten und Fehlern.Das macht ein Team stark.“
PB: „Außerdem stärken gemeinsame Werte ein Team. Das hat sich nicht einer allein ausgedacht und gibt dann Anweisungen, sondern jeder kann etwas damit anfangen. Wenn der Trainer dann noch ein leistungsförderndes Umfeld schafft, ist der Grundstein gelegt.“
PH: „Genau. Es muss klar sein, dass ein Team aus Mannschafts-, Führungsspielern und Individualisten besteht. Wir können nicht alle gleich uniformieren. Dementsprechend gibt es innerhalb eines Teams auch unterschiedliche Hierarchien und Verantwortungen. Die Führungsspieler bilden dabei die Magneten, die alle anderen im besten Falle an- und mitziehen.“
PB: „Erfolgreiche Teams stellen sich immer wieder in Frage und reflektieren und optimieren häufig. Selbstüberschätzung wirkt kontraproduktiv.“
PH: „In Fußball-Teams geht es oft um das eigene Ego. In einer erfolgreichen Mannschaft geht aber es darum, sich für das große Ganze zu engagieren, sich auch zurücknehmen zu können und alles zu geben. Auch der Spieler, der auf der Bank sitzt, weiß, was er zu tun hat.“
MW: „Gerade wenn ein Trainer, wie z.B. der Bundestrainer, sein Team nicht täglich sieht, muss er umso klarer kommunizieren. Er sollte neben Empathie für jeden Einzelnen sich auch das Wissen um die jeweiligen Fähigkeiten aneignen. Optimal ist, wenn es sich dabei nicht nur um die spielerischen Qualitäten dreht, sondern alle anderen Kompetenzen der Spieler. Der erfolgreiche Trainer blickt hinter die Spieler-Persönlichkeit.“
PH: „In einem erfolgreichen Team weiß jeder, was die anderen leisten und schätzen diese auch. Das trägt ein Team. Selbst Spieler auf der Ersatzbank verzeihen dem Trainer seine Entscheidungen, wenn sie selbst das Gefühl haben, ernst genommen werden. Dazu gehört, den Spielern richtig zuzuhören, sie wahrzunehmen und sie auch in ihrer Leistung anzuerkennen.“
PH: „Die Mannschaft muss auch als Gruppe funktionieren. Dabei kommt es neben den fachlichen Fertigkeiten auch auf gemeinsame Erlebnisse an, die verbinden und die Kommunikation fördern. Z.B. hat Trainer Thomas Tuchel damals als U-19-Trainer in Mainz vor einem Spiel Wert auf ein gemeinsames Frühstück und auf Zeit zusammen ohne Handy gelegt.“
IW: Welche optimalen Rahmenbedingungen sollte die Vereinsführung und damit der Verein als Organisation bieten?
MW: „Wenn sich irgendwo am Schreibtisch jemand ausdenkt, was das Team ausmacht und wofür sie stehen sollen und dann noch eine Kampagne dazu erfindet, ergibt das überhaupt keinen Sinn. Denn die Mannschaft steht dann nicht dahinter, weil sie nicht beteiligt ist.“
PH: „Einem Trainer muss die Freiheit von oben gegeben werden, fachlich das zu tun, was er für richtig hält und wo er sich auskennt. Wenn sich die Führungsspitze immer wieder inhaltlich einmischt, weil sie denkt, es besser zu wissen, wird es schwierig. Für optimale Leistungen braucht es auf und neben dem Platz klare Leitplanken, Regeln und Strukturen. Trotzdem dürfen dabei die Individualität und Kreativität der Spieler nicht untergraben werden.“
IW: Was ist, wenn es mal nicht so rund läuft und die guten Leistungen ausbleiben?
PH: „Die Vereinsführung muss auch damit klarkommen, selbst kritisiert zu werden. Ein Trainer, der negative Rückmeldung gibt, kommt oft nicht gut an. Da besteht Lernbedarf in der Vereinsführung.“
MW: „Wenn es nicht läuft, ist kompetente externe Hilfe für die unterschiedlichsten Gebiete umso wichtiger, die in der Weiterentwicklung des Vereins unterstützen. Diese Investitionen lohnen sich. Die Selbsterkenntnis der eigenen Schwäche und das Zutrauen in die Expertise von Anderen sind entscheidend für den Erfolg eines Vereins.“
Vielleicht hast du beim Lesen das ein oder andere für dich mitnehmen können und ein paar Impulse aus der Fußball-Welt für deine betriebliche Arbeit erhalten. Ich jedenfalls sehe viele Parallelen.
In meiner eigenen Arbeit in Beratungen, Trainings oder Coachings mit Mitarbeitenden und Führungskräften, höre ich häufig, dass sich Menschen eine Führungskraft wünschen, für die sie durchs Feuer gehen würden. Ich selbst durfte einen solchen Chef kennen lernen und erleben. Er bedeutet für mich Vorbild in seiner Chef-Rolle, als Teammitglied und als Mensch.
Mein persönliches Fazit: Was macht mein „Vorbild Chef“ anders? Meine TOP 5!
Er ist Unterstützer, Mentor und Förderer in einem, so ein bisschen wie ein interner Coach. Er schafft eine Umgebung, in der sich Menschen sicher sein können und – wer will, sich auch weiterentwickeln kann. In der Resilienz von Teams sprechen wir von der „psychologischen Sicherheit“.
- Er kommuniziert klar und gibt seinem Team regelmäßig Feedback, auch wenn diese im Homeoffice oder von unterwegs arbeiten. Dies gelingt ihm trotz Hierarchie auf Augenhöhe, respektvoll und wertschätzend – auch in seiner Kritik. Sie ist niemals vernichtend, sondern nach vorne gerichtet und auf Entwicklung abzielend.
- Er fragt nach mit einem umfangreichen kommunikativen Repertoire. Er will die persönlichen Sichtweisen der einzelnen Teammitglieder erfahren. Er gibt sich Mühe, die Menschen seines Teams kennenzulernen. Er traut sich, nach Bedürfnissen zu fragen. Wenn er anders entscheidet, als es seinen Mitarbeitenden lieb ist, begründet er seine Handlung.
- Er kann eigene Fehler zugeben und sich auch entschuldigen. Er bewertet Fehler anderer als Lernfeld. Wenn es die falsche Richtung einschlägt und der Weg nicht funktioniert, hat er keine Scheu, neue Strategien auszuprobieren.
- Mein Vorbild-Chef ist einer, der Verantwortung übernimmt und dort abgibt, wo sich die Teammitglieder entwickeln können und wollen. Er ist trotz der Hierarchie nahbar und Mensch
Isabelle Weyand im Mai 2024